Gedenkfeier für Sr. Irmgardis Šmuck OT
Eingeladen hatte Univ.-Prof. Dr. Ewald Volgger OT, der im Laufe seiner Arbeiten zur Erstellung des Nekrologiums. Martyrologiums des Deutschen Ordens das Schicksal von Sr. Irmgardis erkunden konnte. Dazu haben die Informationen und Forschungsergebnisse beigetragen, die Dr. Boris Böhm vom Gedenkort Pirna-Sonnenstein in Zusammenarbeit mit Mag. Florian Schwanninger vom Gedenkort Hartheim vermitteln konnte. Böhm, der Leiter der Gedenkstätte, führte die Familiaren mit Ehegattinnen sowie den Interessenten, einen Arzt mit Sohn aus Chemnitz, die Priesterbrüder P. Ewald und P. Jörg Eickelpasch und einige Bewohner der Einrichtung „Haus am See“ in Tornow mit ihrer Leiterin Antje Walther durch die ständige Ausstellung im Dachgeschoß und die Erinnerungsstätte im Keller der ehemaligen Vernichtungsanstalt. Anschließend erfolgte die Vorstellung des Nekrologiums. Martyrologiums und der insgesamt 35 Zeugen und Zeuginnen des Glaubens im Deutschen Ordens während der totalitären nationalsozialistischen und kommunistischen Systeme des 20. Jahrhunderts (Deutschland, Österreich, Tschechoslowakei, Jugoslawien, Italien), die Enthüllung der Gedenktafel für Sr. Irmgardis im Gedenkraum des Vernichtungskellers, die Verlesung der biografischen Daten sowie eine schlichte aber berührende Andacht – gestaltet von P. Jörg, bei der Sr. Irmgardis auch als Fürsprecherin angerufen wurde. P. Ewald überbrachte die Grüße des Hochmeisters und der in Wien versammelten Schwestern und drückte den Wunsch aus, dass solche menschenverachtende und grausame Verbrechen nie wieder geschehen mögen. Zugleich erinnerte er daran, dass ähnliches Unheil aber auch heute an verschiedenen Orten der Welt geschehe und dass es derzeit die wohl größte Verfolgung und Tötung von glaubenden Menschen weltweit gibt, wie dies so noch nicht stattgefunden habe. Dies betrifft nicht nur Christen, vielmehr auch Muslime und andere Religionsgemeinschaften. Daher mögen alle Menschen guten Willens zusammenstehen, damit Güte und Menschenfreundlichkeit, Achtsamkeit und aufrichtige Sorge füreinander das menschliche Miteinander weltweit im Großen wie im Kleinen prägen. Die Gedenkveranstaltung klang beim gemütlichen Beisammensein in einer Gaststätte in Pirna aus.
Es war bei der Erstellung des Nekrologiums. Martyrologiums ein wichtiges Anliegen, allen verfolgten, misshandelten und getöteten Zeugen und Zeuginnen des Glaubens ein Gesicht zu geben. Leider konnte aufgrund der zerstörten und geplünderten Archive in Troppau und andernorts kein Bild von Sr. Irmgardis gefunden werden. Daher steht für sie das Kreuz des Ordens, für das sie sich entschieden hatte und durch das sie Christus, ihrem Herrn und Meister, das Leben widmete:
Sr. Irmgardis Šmuck (Schmuck), getauft auf den Namen Leopoldina, wurde am 23. März 1884 in Klein-Ellgoth/Dolní Lotha in Schlesien geboren und trat bei den Deutschordensschwestern in Troppau ein, wo sie am 15. Februar 1905 die erste zeitliche Profess ablegte; am 18. Juli 1930 folgte die Ewige Profess. Sie war zur Handarbeitslehrerin ausgebildet worden. Aufgrund einer Erkrankung musste sie sich in das Psychiatrische Krankenhaus in Troppau (Psychiatricka lecebna Opava) begeben, wo sie am 26. Januar 1916, wie die Indexbücher unter Nr. 7440 belegen, mit ihrem Taufnamen Leopoldina Šmuck aufgenommen wurde. In demselben Indexbuch ist bezeugt, dass Sr. Irmgardis am 10. Dezember 1940 mit einem der insgesamt drei Eisenbahntransporte aus Troppau in die NS-Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein bei Dresden abtransportiert wurde. Es ist begründet anzunehmen, dass die Ermordung der Patienten dieses Transportes am 11. Dezember, spätestens am 12. Dezember 1940 erfolgt ist. Daher wird das Gedenken für Sr. Irmgardis am 12. Dezember begangen. Die Krankenakte sind (derzeit) nicht auffindbar oder sind verloren gegangen.
Das Transportkommando der Tötungsanstalt brachte Patienten mit Bussen, teilweise auch mit Zügen, aus Heil- und Pflegeanstalten nach Pirna-Sonnenstein. Pfleger und Schwestern führten sie zu einer Kommission unter ärztlicher Leitung im Erdgeschoss des Gebäudes C16. Die Ärzte überprüften die Identität der Opfer und legten eine gefälschte Todesursache fest. Unter dem Vorwand, es ginge ins Bad, führte das Pflegepersonal die Patienten zur Ermordung in die als Duschraum getarnte Gaskammer im Keller des Gebäudes. Den Angehörigen wurde in der Regel die Übermittlung der Urnen und das Gedenken vor Ort gänzlich verwehrt. Das Gelände hinter dem Gebäude der ehemaligen Tötungsanstalt nach Pirna hin wird heute als Gräberfeld geehrt.
In den Jahren 1940 bis 1941 wurden in Pirna-Sonnenstein unter der Bezeichnung „Euthanasie“ durch die Nationalsozialisten 13.720 Menschen ermordet. Es waren dies psychisch Kranke, Menschen mit Behinderungen und Häftlinge aus Konzentrationslagern. In einem Keller der Anstalt hatte die Berliner „Euthanasie“-Zentrale in der Tiergartenstraße 4 (daher „Aktion T4“) eine Gaskammer und ein Krematorium installieren lassen. Pirna-Sonnenstein war eine von sechs Tötungsanstalten im Deutschen Reich, in denen im Rahmen der zentral koordinierten und weitgehend geheim gehaltenen „Aktion T4“ zur „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ beziehungsweise Tötung von sogenannten „Ballastexistenzen“ von den Nationalsozialisten mehr als 70.000 Menschen umgebracht wurden. Später wurden auch Häftlinge aus Konzentrationslagern in diesen Einrichtungen ermordet. Den Predigten von Kardinal Klemens August Graf von Galen von Münster im Juli und August 1941 und dem Bischof Michael Mamelauer von St. Pölten in Österreich (31.12.1941) ist es zu verdanken, dass die mörderische Aktion abgebrochen wurde. Im August 1942 entfernten die Nationalsozialisten fast alle baulichen Hinweise auf dieses Verbrechen. Archäologische Arbeiten machen sie heute aber wieder sichtbar. Weitere Informationen zur Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein siehe unter https://www.stsg.de/cms/pirna/startseite .