Der Hochmeister auf der Marienburg
Die Marienburg wurde vom Deutschen Orden im ausgehenden 13. Jahrhundert erbaut und war ab 1309 bis 1457 für 150 Jahre Residenz der Hochmeister und Zentrale des mächtigen Ordensstaates. Anschließend gehörte sie abwechselnd mehrmals zu Polen und dann wieder zu Deutschland. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die weitläufige Burganlage von der einrückenden Roten Armee beschossen und stark zerstört. Mit hohem denkmalpflegerischen Aufwand wurde sie von den Polen wiederhergestellt; an die Restaurierung der Marienkirche mit der St. Annenkapelle und vor allem an die Wiederanbringung des majestätischen Marienbildes konnte man sich freilich erst jetzt wagen, nachdem eine norwegische Stiftung den größten Teil der Finanzierung übernommen hatte. Die Marienburg zählt zu den großartigsten Backsteinbauten des Mittelalters und ist die größte noch aus der gotischen Zeit stammende Burganlage; seit 1997 zählt sie zum Weltkulturerbe der UNESCO und kann sich als Museum in ganz Polen der zweithöchsten Besucheranzahl erfreuen.
Um die Wiederherstellung des vollständig der Zerstörung anheimgefallenen monumentalen Muttergottesbildnisses mühte sich vor allem die eigens dafür gegründete Stiftung „Mater Dei“, indem sie in der Öffentlichkeit Interesse, Verständnis und Sensibilität dafür förderte. Das acht Meter hohe Halbrelief der Gottesmutter an der Außenfassade der Marienkirche stellte jahrhundertelang das beeindruckende Symbol dieser großartigen Burg, des Ordensstaates und des Ordens selber dar, der aus tiefer religiöser Überzeugung Initiator, Mentor und Gestalter von all dem war. In der Marienkirche und in der darunter befindlichen St. Annenkapelle zogen die Restauratoren wieder das gotische Gewölbe mit den noch erhalten gebliebenen Schlußsteinen ein, wobei besonderes Augenmerk auch darauf gelegt wurde, dass die Wunden und Zerstörungen der Zeit nicht wegretuschiert, sondern in eindrucksvoller Weise dokumentiert wurden. An der Apsis wurde ein gotischer Flügelaltar aufgestellt. Durch die sog. „Goldene Pforte“ kommend erschließt sich dem Besucher ein tief beeindruckender, hoher Kirchenraum mit einer hervorragenden Akustik, wie das Konzert anlässlich des Festaktes dokumentierte.
Die Restrukturierung der Marienkirche und der St. Annenkapelle sowie die Wiederherstellung des majestätischen Muttergottesbildnisses darf sozusagen als letzter Mosaikstein der Restaurierung des mächtigen Schlosses der Marienburg angesehen werden. Damit wurde diesem zum Weltkulturerbe zählenden Bauensemble einer der wichtigsten Aspekte, seine religiöse Würde, sozusagen sein Herz wiedergegeben. Der Orden, die Burg mit ihrer Kirche und das ganze Ordensland war der Gottesmutter Maria geweiht und trug ihren Namen. Will man den Orden und sein Wirken verstehen, darf man seine Spiritualität und Frömmigkeit nicht außer Acht lassen.
Angesichts der weitreichenden Bedeutung der Restaurierungsarbeiten in der Marienburg waren zahlreiche prominente Gäste eingeladen, so der Präsident des Polnischen Parlamentes, der Vize-Kulturminister, der norwegische Botschafter, Vertreter der norwegischen Sponsoren, Bürgermeister sowie natürlich Vertreter des öffentlichen und kulturellen Lebens. Dem Hochmeister des Deutschen Ordens aus Wien wurde die Ehre zuteil, gemeinsam mit dem Diözesanbischof den Eröffnungsgottesdienst zu feiern und die Marienburger Madonna den Gläubigen und Festgästen mit einem Gebet gleichsam zu übergeben. Zum Zeichen der Verbundenheit und der Freude über die Wiederherstellung und Erneuerung der religiösen Elemente der Marienburg übergab der Hochmeister der Kirche einen großen, von einem tschechischen Bildhauer gestalteten Osterleuchter.
Dem Gottesdienst schloss sich ein Festakt an, bei dem die hohen Gäste das gelungene Werk würdigten und besonders auf den völkerverbindenden Charakter und Auftrag der Marienburg verwiesen. Der Hochmeister, in dessen Begleitung sich auch der Generalsekretär des Deutschen Ordens P. Olaf Wurm befand, bedankte sich für die nunmehr unbelasteten, ja freundschaftlichen Kontakte und die gegenseitige Wertschätzung. In seiner Festansprache brachte er Anerkennung und Dankbarkeit des Deutschen Ordens zum Ausdruck für die sorgsame und vorbildliche Erhaltung der vom Orden vor Jahrhunderten erbauten Burgen, Kirchen und Dome mit den darin noch verwahrten sakralen Kunstwerken; er verweis auch auf die vom polnischen Volk hoch gehaltenen religiösen Einstellungen und christlichen Grundhaltungen wie auch auf die beide verbindende Marienfrömmigkeit.