Nachlese einer Reise - auf den Spuren des Deutschen Ordens im Heiligen Land
Der Besuch der imposanten Hafenstadt Akko mit ihren erst in jüngster Zeit vollständig freigelegten atemberaubenden Zeugnissen aus der Kreuzfahrerzeit war ein erster Höhepunkt auf dieser „Zeitreise“ in die Vergangenheit. Vor Akko begann 1190, vor über 820 Jahren, die Geschichte des Deutschen Ordens mit dem Entschluss einer Gruppe von Bürgern aus Bremen und Lübeck, aus den Segeln ihres Schiffes ein Zeltspital für verletzte und erkrankte Kreuzfahrer zu errichten; drei Jahre nachdem Jerusalem unter dem Ansturm der Truppen Saladins gefallen war und die damals christliche Welt sich auf einen neuen Kreuzzugs unter Führung des Königs von Frankreich, Philipp August und des englischen Königs Richard Löwenherz vorbereitete. 1191 landete König Richard vor Akko und eroberte die strategisch wichtige Hafenstadt zurück. 1192 schloss Richard Löwenherz, der Jerusalem nicht militärisch einnehmen konnte, in Jaffa einen Friedensvertrag mit Saladin und vereinbarte eine Teilung des Heiligen Landes: Jerusalem blieb in der Hoheit der Muslime, während das Christliche Königreich an der Küste mit der Hauptstadt Akko fortbestehen konnte. Im März 1198 wurde die Hospitalgemeinschaft der Deutschen in Akko in den Rang eines Ritterordens erhoben. Erst 1228 gelang es Kaiser Friedrich II. von Staufen, wohl eine der bedeutsamsten und gelehrtesten Kaisergestalten des Mittelalters, durch einen zehnjährigen Friedensvertrag mit dem ägyptischen Sultan Malik al Kamil, ohne Blutvergießen Jerusalem und Bethlehem mit einem Korridor nach Jaffa, Nazareth und in das westliche Galiläa sowie Sidon für das Königreich zurückzugewinnen. Friedrich hatte 1225 Jolanda, die vierzehnjährige Tochter des Königs von Jerusalem, Jean de Brienne, geheiratet und 1228 wurde der Staufer in der Grabeskirche in Jerusalem feierlich gekrönt. Fast nur der Deutsche Orden und sein Hochmeister Hermann von Salza unterstützen in dieser Zeit aktiv die Friedensdiplomatie des Kaisers, der ohne Kampf das „Königreich der Himmel“ für eine kurze Periode der Geschichte wieder entstehen ließ.
In jenem historischen Vertrag von Jaffa wurde dem Deutschen Orden auch die Anlage der Festung Montfort („Starkenburg“) ausdrücklich gestattet, welche die Pilgergruppe auf ihrem Weg nach Akko besichtigen konnte. Die Ruine der Kreuzfahrerfestung, die bereits im 12. Jahrhundert durch den Franzosen Joscelin de Courtenay als „Castellum Novum Regis“ grundgelegt worden war und 1187 von Saladin zunächst erobert, später aber ihren Eigentümern zurückgegeben wurde, liegt in den Bergen von Galiläa auf einem vorgeschobenen Felsgrad, nur wenige Kilometer südlich der heutigen libanesischen Grenze in einem unwegsamen Gelände, abseits größerer Straßen. 1229 kaufte der Deutsche Orden die sogenannte Seigneurie des Joscelin und baute sie zu einer großzügigen Festung und seinem Verwaltungssitz im Heiligen Land aus. Aufgabe von Montfort, zu dem etwa 50 Ortschaften der Umgebung gehörten, war es nach historischen Quellen, im Rahmen einer Verteidigungskette mehrerer benachbarter Burgen die Versorgung der Hafenstadt Akko aus dem Hinterland sicherzustellen. Während die Mehrzahl der Pilger von einem gegenüberliegenden Plateau, die gut erhaltenen Ruinen und den ‚genius loci’ auf sich wirken ließen, wollten einige fußstarke Teilnehmer es sich nicht nehmen lassen, die vorgelagerte Schlucht in einem beschwerlichen Ab- und Aufstieg zu durchqueren und die ehemalige Deutsch-Ordens-Burg persönlich zu „erobern“.
1271 war die Burg im Zuge der wiederaufgeflammten Kämpfe zwischen Muslimen und Christen an den ägyptischen Heerführer und späteren Mameluken-Sultan Baibars Bunduktari (der Bogenschütze oder auch der Panther genannt) nach siebentägiger Belagerung übergeben worden. Der Deutsche Orden und seine Burgbesatzung erhielten freien Abzug unter Mitnahme des Archives und des „Ordensschatzes“. Die Mameluken zerstörten anschließend die Befestigungsanlagen von Montfort, um eine Rückeroberung durch die Kreuzfahrer zu verhindern. Der Chronist Burchard vom Berg Zion beschreibt Montfort im Jahre 1283 als „völlig zerstört“. Seither ist die Anlage kaum mehr verändert worden, was wohl auch damit zusammenhäng, dass ihre Überreste mangels umliegender Dörfer und wegen des unwegsamen Geländes nicht als Baumaterial verwendet wurden. Zwanzig Jahre nach der Zerstörung von Montfort und rund hundert Jahre nach der Gründung des Deutschen Ordens eroberte 1291 Baibars Sohn Al Ashraf Khalil die Stadt Akko und setzte der politischen Existenz des Königreichs Jerusalem auf Dauer ein Ende.
In Jerusalem selbst, mitten im sogenannten jüdischen Viertel der Stadt, unweit der Westmauer des Tempelberges, suchten die Heilig-Land-Pilger einen weiteren für den Deutschen Orden bedeutsamen historischen Ort auf: Die Ruinen der Kreuzfahrerkirche St. Maria Alemannorum mit den gut erhaltenen Resten des Ostchores, die den Mittelpunkt eines Gebäudekomplexes bildet, der als „Deutsches Haus“ bezeichnet wird. Dieses „Deutsche Haus“ war lange Zeit nur aus literarischen Quellen bekannt. Diese Quellen berichteten von einem Hospiz und Hospital, das von anonymen Stiftern bereits vor 1127 für deutschsprachige Pilger gegründet und mit Zustimmung des Patriarchen eine der Gottesmutter Maria geweihte Kirche erhalten hatte. Jakob von Vitry, der von 1216 bis 1228 Bischof von Akko war, berichtet von einem Hospiz und einem Oratorium zu Ehren der seligen Gottesgebärerin Maria in Jerusalem für die Pilger deutscher Zunge.
Erst im Jahre 1968 entdeckten die Archäologen E. Netzer und A. Ovadiah die Ruinen der Kirche, die mit Hilfe des Verlegers Axel Caesar Springer und des Jerusalemer Bürgermeisters Teddy Kollek von späteren Verbauungen befreit und in ihrem Bestand erhalten wurde.
Schon sehr früh in der Geschichte des christlichen Königreiches Jerusalem wurde von dem sich etablierenden Deutschen Orden eine Verbindung zu diesem Gebäudekomplex hergestellt, der sich bis heute im offiziellen Titel des Ordens erhalten hat: „Deutscher Orden, Brüder vom Deutschen Haus St. Mariens in Jerusalem“. Archäologische Erkenntnisse legen zudem die Vermutung nahe, dass die Kirche St. Maria Alemannorum über den Resten der byzantinischen „Prätoriumskirche“, der Hagia-Sophia-Kirche, errichtet wurde, die nach einer lokalen Überlieferung ihrerseits jenen Platz markierte, an dem der römische Statthalter Pilatus einst auf Drängen der Pharisäer Jesus verurteilte. Beim Ave Maria, das der Hochmeister im ehemaligen Chorraum der Kirche anstimmte, gedachten die Pilger aller Angehörigen und Wohltäter des Ordens, und mancher Familiare mag sich vorgestellt haben, wie die gotischen Chorbögen dieser Mutterkirche des Deutschen Ordens einst die Gebete der Pilger und der Kranken im Herzen der Heiligen Stadt überwölbt haben. Eine legitime Reminiszenz an die Geschichte, die in keinem Widerspruch zur brüderlichen Mahnung des lateinischen Patriarchen an die Pilger am gleichen Tag stand, die Geschichte zu bewahren, vor allem aber an die bedrückende Gegenwart und die ungewisse Zukunft der Christen im Heiligen Land zu denken und daraus im Geist von Papst Benedikt XVI. solidarische Schlüsse für die von Krieg und Hass geschundene Region zu ziehen.