Der Hochmeister im Ermland
Großes Interesse, hellwache Zuhörer und offene Fragen kennzeichneten die Veranstaltungen, gleichermaßen bei Studierenden wie bei Honoratioren. Meist unausgesprochen, öfter aber auch thematisiert, stand die Frage im Raum, wann der Orden in seinem heutigen Wirken in „sein Land" zurückkomme, bis hin zu persönlichem Interesse. Besonders deutlich wurde das auch im „Beiprogramm", das immer neue Überraschungen bot. Historisch am eindrucksvollsten war sicher der Besuch im Diözesanarchiv, wo sein Direktor - gleichzeitig Direktor des Historischen Instituts der Universität - Prof. Andrzej Kopiczko mit berechtigtem Stolz Originaldokumente von Nicolaus Copernicus vorlegte. Genauso beeindruckend waren die persönlichen Begegnungen, erschien doch bei einem eher privat geglaubten Mittagessen bei dem Vertreter der Malteser Msgr. Henryk Błaszczyk neben Bekannten des Vorjahres, den Bürgermeistern von Purda und Osterode überraschend auch Alterzbischof Prof. Edmund Piszcz aus Allenstein.
Die Stadt Allenstein lud ein durch den stellvertretenden Präsidenten Boguslaw Szwedowicz und den Vizemarschall Jarosław Słoma, und die Stadt Lyck/Ełk veranstaltete eigens auf Einladung ihres Präsidenten Tomasz Andrukiewicz eine Sondersitzung des Stadtrates zu Ehren des hochmeisterlichen Besuchs. Es folgte ein Essen in sehr familiärer Atmosphäre beim Bischof der jungen Diözese Lyck, Mons. Jerzy Mazur SVD, die Besichtigung des Restaurierungsbeginns der ehemaligen Ordensburg Lyck, ein Besuch in der Wallfahrtskirche Heiligelinde, zu der Hochmeister Albrecht 1523 von Königsberg aus gepilgert war (wo er allerdings noch keine Präsentation der barocken Orgel erleben konnte) und ein von Pfarrer Prälat Dyzma Wyrostek geführter Rundgang durch die bischöflich-ermländische Stadt Rößel. Und als man dachte, der Tag sei zu Ende, überraschte der Rektor der Universität - der es sich nicht hatte nehmen lassen, die Gäste den ganzen Tag hindurch zu begleiten, wie auch Prof. Kopiczko und Domherr Andre Schmeier mit vollem Einsatz während des ganzen Aufenthaltes als Dolmetscher und Reisebegleiter hilfreich zur Seite standen - noch durch die abschließende Einladung in das der Universität gehörende, wunderschön gelegene neobarocke Schloss Lossainen, das unzerstört den Krieg überstanden hat.
Es war ein volles Programm, in dessen Verlauf immer wieder spürbar wurde, dass die politisch begründeten Ideologien des 19. Jahrhunderts kaum noch eine Rolle spielen und dem heutigen Orden lebhaftes Interesse entgegengebracht wird; und es gipfelte stets in dem Wunsch, der Hochmeister möge im nächsten Jahr wiederkommen.
Prof. Udo Arnold