"Warum habt ihr mich gesucht?"
Sie haben vielleicht keine neue Erde und keinen neuen Himmel geschaffen, das dürfen wir getrost Gott überlassen, haben Krieg und Terror, oft genug damals wie heute ja gerade unter Berufung und im Namen Gottes geführt, nicht beseitigen können. Stehen sich doch bis heute Menschen, Brüder feindlich gegenüber, in dem Land, in dem der Friedensfürst Mensch wurde, dass wir gerne Heiliges Land nennen, dass doch durch das Tun der Menschen so oft ein unheiliges Land ist... aber sie haben das ihre dazu beigetragen, ihre konkrete Welt, ihre Umwelt, besser, menschlicher, wärmer zu machen... wir müssen nicht die ganze Welt retten, das dürfen wir Gott überlassen, aber wir sind gerufen, hie und da ein Mosaiksteinchen am Reiche Gottes zu setzen.
Warum habt ihr mich gesucht? Was suchen Menschen, die sich seit mehr als 800 Jahren dieser Gemeinschaft angeschlossen haben, als Brüder, Schwestern und auch als Familiaren? Wenn wir einmal den Aspekt der Versorgung außer Acht lassen wollen und auch Dinge wie Prestige und Karriere, dann bleibt die Spiritualität der Brüder und Schwestern vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem, die scheinbar immer wieder Antworten, glaubwürdig und an der konkreten Situation des Menschen orientiert, geben konnte und kann. Antworten auf die Fragen des Menschen, was mein Leben trägt, was mich hoffen lässt... lässt uns da landen, was Männer und Frauen dazu gebracht hat, Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen um sie herum zu teilen...
Die Ordenskirche St. Elisabeth hier in Wien bietet einen anschaulichen Wegweiser, der hinweist auf den Geist unserer Gemeinschaft, auf das was uns bewegt und trägt. Wegweiser müssen fest im Boden verankert sein, fest stehen im realen Leben, auf sicherem Grund, dem Boden der Tatsachen... so wie der Glaube nicht abgehoben, sondern geerdet sein muss, nicht in einer Traumwelt verhaftet, sondern im realen Leben erprobt und zu Hause. Aber Wegweiser sie müssen vor allem auf das Ziel hinweisen, ja sie müssen manchmal sogar über den Horizont hinaus weisen. Auf das Theologische bezogen, müsste man sogar noch hinzufügen, dass sie sogar über den Horizont, über das Irdische hinaus auf das Ewige, das Transzendente hindeuten sollen und müssen ... Ein solcher Wegweiser kann das von Tobias Pock für den barocken Hochaltar geschaffene Bild der Krönung Elisabeths möglicherweise sein, folgen wir ihm ein wenig...
Im Zentrum des Bildes, hell und leuchtend, Christus.... „Was er euch sagt, das tut" (Joh 2,5) hatte Maria den Diener bei der Hochzeit von Kanaa gesagt... was er euch sagt... auf Christus hören, auf ihn schauen... er hat es uns vorgelebt, was Nachfolge heißt, was es heißen kann, sich der Menschen anzunehmen, sie ernst zu nehmen in ihrer konkreten Situation, liebevoll und gütig, Schuld nicht zu verharmlosen oder zu verschweigen, sondern sachlich zu thematisieren, stets aber in der Zuwendung, in der Hinwendung zu dem Menschen, der sich schuldig gemacht hat. Die Sünde verdammend aber nicht den Sünder, für ihn oder sie gilt es zu beten... Jesus hat uns vorgemacht, was es heißt die Botschaft von Gottes Reich zu den Menschen bringen, Kranke anzufassen, zu heilen, ihnen Würde zu sichern bis zum letzten Atemzug, den Menschen beizustehen in ihrer körperlichen und seelischen Not... Gottes Heilswirken in seinem Sohn, seine Liebe zu den Menschen, die in Jesus ein Gesicht bekommen hat. Unser Bestreben, unser Auftrag ist es, ihm ähnlicher zu werden.
Jesus steht auf dem Schoß seiner Mutter Maria, von allem Beginn an Namensgeberin des Ordens und Schutzfrau. Sie kann Beispiel dafür sein, was es heißt sich auf Gott einzulassen, ihm zu vertrauen und sich von ihm als Teil seines Heilsplanes einbauen zu lassen... nicht als willenloses Werkzeug, sondern in freiem Willen und dem Bewusstsein unserer in Gott grundgelegten unveräußerlichen Würde und Berufung. Maria ist die stille Zeugin des Lebens Jesu, sie hat die Angst des Verlustes erleben müssen, als der Zwölfjährige im Tempel blieb, sie hat mit ansehen müssen, wie ihr Sohn immer mehr in Ereignisse involviert wurde, die schließlich auf Golgotha ihr vorläufiges Ende fanden... Sie stand unter dem Kreuz, sie die Jungfrau, der von allem Anbeginn von der Erbsünde befreite Tempel Gottes, deren Naheverhältniss, deren Glaube in Gott durch nichts und niemand zu erschüttern war... sie stand unter dem Kreuz, als die Jünger sich angstvoll verkrochen hatten, sie hat ausgehalten, den Schmerz, das Leid ihren Sohn sterben sehen zu müssen... Der Glaube Mariens, dieses gefunden haben meiner Beziehung zu Gott, die Offenheit bewahrt zu haben für seinen Ruf und darauf mit einem in Freiheit gesprochenen „Ja" zu antworten, das zeichnet sie aus, das macht sie auch heute noch zu einem zeitgemäßen Vorbild.
Im vorderen Teil des Bildes kniet in tiefer Andacht versunken, jene Frau, die wie kaum eine andere für das Wirken des Ordens steht, die Heilige Elisabeth von Thüringen. Sie die ihre Fürstenkrone selbst ablegte, um sich ganz in die Christusnachfolge zu geben, erhält von Christus selbst die Krone eines gelungenen, eines geglückten, eines in Gott gelebten Lebens. Elisabeth steht für die gelebte Caritas, jene Form tätiger Nächstenliebe, die sich nicht in frommen Sprüchen erschöpft, sondern die sich der Menschen annimmt. Sie hat sich von den höchsten Kreisen der damaligen Gesellschaft in den Staub und Dreck der Gosse begeben, um den Menschen, in denen sie Christus erkannte, nahe zu sein, sie froh zu machen, ihre Wunden zu verbinden, mit ihrer Liebe Gottes Liebe durchstrahlen zu lassen und den Menschen so jenen Frieden zu geben, den Christus den Jüngern immer wieder zugesprochen hat. Jener Friede, der in Liebe gründet, der selbst in den dunkelsten Momenten, selbst in Schmerz und Leid, den Herzen Ruhe geben kann, Linderung und Zuversicht. Elisabeth sie ist uns Anregung, darüber „nachzudenken, wie sehr Menschen sich selbst zurücknehmen können, um aus dem Geist der Christusnachfolge die Armen und Kranken im Blick zu haben und ihnen mit aller Kraft und allem Einsatz zu helfen", wie es Prior Norbert einmal formulierte. Sie ist uns Mahnung dafür, dass aus der Gottesbeziehung die Tat erwachsen muss, dass es nicht genügt nur fromm zu sein. Sicherlich hätte sie die Worte des Heiligen Vaters, Papst Benedikt, in seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est" unterstrichen: „Wenn ich aber die Zuwendung zum Nächsten aus meinem Leben ganz weglasse und nur ,,fromm'' sein möchte, nur meine ,,religiösen Pflichten'' tun, dann verdorrt auch die Gottesbeziehung. Dann ist sie nur noch ,,korrekt'', aber ohne Liebe. Nur meine Bereitschaft, auf den Nächsten zuzugehen, ihm Liebe zu erweisen, macht mich auch fühlsam Gott gegenüber." (DCE 18).... Elisabeth ist Prototyp der am Menschen und für die Menschen gelebten Nächstenliebe... Sie ist der Prototyp dafür was es heißt in der Nachfolge Christi zu versuchen „zu Helfen und zu Heilen", wovon im Deutschen Orden durch die Jahrhunderte unzählige Hospitäler und soziale Einrichtung künden bis hin zu den Spitälern, Alten-, Suchthilfe- und Behinderteneinrichtungen unserer Tage, wo mit großem Engagement, viel Liebe, Freude und hoher fachlicher Kompetenz versucht wird, diesen Geist zu leben. Von Menschen für Menschen!
Hinter der Heiligen Elisabeth fast schon fast ein wenig im Dunkel verschwunden, der Heilige Georg, so im Dunkel wie die historische Person selbst... aber das ist nicht wichtig... Wichtig ist, wofür er steht. Er verkörpert das ritterliche Element, das den Orden die längste Zeit seiner Existenz massivst geprägt hat, immerhin liegt hier in der Gruft der letzte Ritter begraben, der 1970 verstorbene Graf Belrupt.... Ritterlich sind auch die Schild mit den Wappen, die unsere Kirche so sehr prägen... aber sind das nicht ebenso, wie das Ritterinstitut selbst überholte Dinge, gehört das nicht einer untergegangenen Zeit an? ... mit Nichten... Ritterliche Tugend, Ehrlichkeit, Ehre, Wahrhaftigkeit, Fairness, Schutz der Armen, Schwachen und Wehrlosen... das sind Werte, die damals wie heute gültig und notwendig sind. So wie es die Ordensregel im ersten Kapitel formuliert: „Der Einsatz des Ordens für Christi Reich ist nicht mehr der zeitgebundene Kampf mit dem Schwert, sondern gemäß der gesunden Überlieferung des Ordens der Kampf in der geistigen Auseinandersetzung, der Schutz der Wehrlosen, die Seelsorge am Menschen" (Erbe und Auftrag, 6)... Immer dort, wo Brüder, Schwestern und Familiaren sich in dieser Weise einsetzten, ihre Stimme erheben, für die, die keine Lobby haben, denen aufhilft, die gestolpert sind oder am Boden liegen, immer dann, wenn es uns gelingt, das Leben der Menschen besser zu machen, ihnen zu vermitteln, was es heißt in Gott geborgen zu sein, sicher, ohne Angst leben zu können... überall dort, leben wir das ritterliche Ideal des Hl. Georg, werden wir dem Ursprungscharisma des „Wehrens", im Sinne der Linderung der Not, dem Abhalten des Bösen, gerecht.
Neben dem Heiligen Georg steht noch eine hermelingewandete Dame mit Krone, die Heilige Kaiserin Helena... sie hat das Kreuz unseres Herrn gefunden in Jerusalem.... Sie steht für das Zeichen, unter das sich der Orden ebenfalls von allem Anbeginn an stellte. Christusnachfolge heißt für uns Kreuzesnachfolge, im Kreuz wollen wir uns rühmen (Gal 6,14), wie es Paulus gesagt hat... oder wie es bei der Übergabe des Ordenskreuzes so eindrücklich formuliert ist: „Nimm dieses Kreuz, Zeichen der Liebe Gottes und des Ordens. Wenn du es trägst bemühe dich den Menschen ein gutes Vorbild in Wort und Werk zu sein, um damit zu erweisen, dass Gott mir Dir und in Dir ist: Dir sei es Kraft und Stärke im Leben, Trost und Zuversicht im Sterben, Ehre und Ruhm in Ewigkeit".... Im Zeichen des Kreuzes den Menschen nachgehen bis in die tiefsten Verlassenheit, ihnen beistehen in den dunklen Momenten irdischer Existenz... genau deswegen hat Christus das Kreuz bestiegen... immer wieder zu verdeutlichen, dass Gottes Licht, seine Güte und Erbarmen auch in den dunkelsten Punkten menschlichen Daseins aufleuchten, weil er selbst das alles schon durchlebt, durchlitten hat...hier liegt unser Auftrag, unsere Sendung... Das Kreuz mahnt uns an die Beschwerlichkeit des Weges der Nachfolge, daran, dass im scheinbar Absurden, Gottes Größe aufstrahlt. Das Kreuz ist Zeichen unseres Heiles, unserer Erlösung.
Das Kreuz des Ordens, schwarz auf weißem Grund, es verdeutlicht dies auf das Eindrücklichste....nicht das Schwarz, nicht das Dunkel des Todes, nicht die Schmach von Golgotha, nicht Leid und Schmerz haben das letzte Wort... sondern Gottes Herrlichkeit, das Leben... Hinter all dem scheint das Licht des Ostermorgens, scheint das Leben auf, leuchtet uns die Sonne der Gerechtigkeit, scheint uns der Himmel auf, der uns verheißen ist, weil Christus uns den Weg gebahnt hat, weil er das Tor aufschloss... diesen offenen Himmel dürfen wir immer wieder auch für uns erspüren, erahnen und erfahren, in den Sakramenten, wo sich Himmel und Erde berühren, in den Momenten, wo es uns gelingt Gottes Liebe durchstrahlen zu lassen... den offenen Himmel, die innertrinitarische Kommunikation... all das ist auf dem Bild von Pock präsent. Gottvater selbst, der auf den offenen, auch für jede und jeden von uns offenen Himmel hinter sich verweist und voll Güte auf seinen Sohn, an dem er Wohlgefallen hat und sein Magd schaut, während der Heilige Geist in Form der Taube herabfliegt.
Somit schließt sich der Kreis wieder... Christus ist es auf den wir schauen... den wir suchen, weil es unserer tiefsten Sehnsucht entspringt, Antworten auf die großen Fragen des Lebens zu finden, die sich nur in Gott finden lassen.... Und der Geist ist es, der uns die Weisheit schenkt den Sohn zu erkennen, ihm ähnlicher zu werden und uns Gottes Führung und Fügung anzuvertrauen...
In diesem Sinne begehen wir das Gründungsfest unseres Ordens voll Freude und Dankbarkeit im Bewusstsein unseres Auftrages mit zubauen am Reich Gottes, beizutragen, dass er alles neu machen kann. Vertrauen wir uns der Fürsprache der Gottesmutter, der Heiligen Elisabeth, des Heiligen Georg und all derer an, die uns auf diesem Weg schon vorangegangen sind und erbitten wir Gottes Segen, damit all unser Tun zum Wohle der Menschen geschehe, damit auch wir einst das neue Jerusalem schauen dürfen.